Digital Recruiting: Wie Unternehmen der Generation Y entgegenkommen können
Vom Papier zur Online Karriere Plattform
Dann kam der digitale Wandel, wie wir das heute bezeichnen, so richtig in Schwung. Viele begannen, sich erste (ernsthafe) Profile im Internet anzulegen, soziale Netzwerke wurden groß, Plattformen für alles mögliche entstanden im Netz. Und alles ging rasend schnell. So schnell, dass viele Unternehmen, für die Papierkram über Jahre hinweg der Standard war, bis heute nicht mitkommen. Viele fordern nach wie vor Bewerbungen im Papierformat gedruckt und geheftet, mit Zeugnissen und Urkunden. Einige sind etwas innovativer und bieten Online Formulare oder Bewerbungen per Mail. Wie gut diese Bewerbungsprozesse bei den sogenannten High Potentials ankommen, hinterfragen allerdings wenige Unternehmen, wenn man einer Studie von Textkernel Glauben schenkt. Dabei gibt es mittlerweile so viele Möglichkeiten, den Recruiting Prozess zu optimieren.
Ich jedenfalls – nach dem Studium auf Arbeitssuche – habe hauptsächlich auf Online Plattformen wie Unicum oder Uniport nach interessanten Stellen gesucht. Mit Filtern, Schlagworten und Suchagent. Und das ist erst der Anfang. Die digitale Welt bietet Unternehmen sowie Arbeitssuchenden eine Vielzahl an neuen Methoden, sich gegenseitig zu finden. Und zwar so zu finden, dass der sogenannte Cultural Fit passt. Schließlich sollten neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Unternehmen bleiben, sich idealerweise weiterentwickeln oder aufsteigen.
Was immer wieder angesprochen wird, ist außerdem der demographische Wandel, der uns in den nächsten Jahren erreichen wird. Fachkräfte werden zur Mangelware, so der Tenor in den Medien. Für mich persönlich klingt das ein wenig nach Wunschdenken der vielen Jobsuchenden und gut ausgebildeten aber in prekären Dienstverhältnissen feststeckenden Arbeitenden. Aber auch die Daten, die eine Kienbaum Studie erhoben hat, sprechen zu Gunsten der Jobsuchenden. Immerhin reagieren 88% der befragten Unternehmen mit der Optimierung der Recruiting Strategien und der Verbesserung der digitalen Kommunikation, um so ihre Zielgruppe besser zu erreichen.
Benefits für Digital Natives
Am Online Karrieretag in Wien diskutierten HR-Verantwortliche und CEOs über die Vor- und Nachteile, die der digitale Wandel für Unternehmen mit sich bringt. Auch die Vertreter großer Firmen wie etwa kununu, Pro Sieben / Sat 1 / Puls 4 oder epunkt waren sich einig, dass Unternehmen an der Digitalisierung nicht vorbei kämen, sondern die neue Technik zu ihrem Vorteil nutzen sollten.
Dabei war nicht nur der Recruiting Prozess im Fokus, sondern auch, wie Unternehmen sich an die Anforderungen der Digital Natives anpassen können. Neu hinzukommende Fachkräfte sollten sich schließlich im Unternehmen wohl fühlen. Angefangen von einem ansprechenden Arbeitsplatz bis hin zu flexibleren Arbeitszeiten oder zusätzlichem Urlaub stand alles zur Debatte.
Beim Arbeiten hin und wieder auf der Couch zu liegen, in der Kantine zu sitzen oder Meetings im nahegelegenen Park abzuhalten, das wäre doch was, oder? Auch Home Office ist ein wichtiger Punkt auf der Liste der Verbesserungen der Arbeitsbedingungen. So kann man, je nach Bedarf, mal mehr und mal weniger mit den Kolleginnen und Kollegen plaudern und trotzdem – in konzentrierter Alleinarbeit – seine Zielvorgaben erfüllen.
Am digitalen Wandel teilnehmen
Niko Alm, der Gründer von Super Fi, plädiert an Unternehmen wie Arbeitnehmende, am digitalen Wandel zu antizipieren. Dazu müssen Recruiting Verantwortliche nicht jeden neuen heißen Mist gleich ausprobieren. Sie können sich aber auf dem neuesten Stand halten und so erkennen, wann ein Trend dauerhaft bestehen bleibt und wann er als Eintagsfliege abzustempeln ist.
Das Talentmanagement Magazin sieht die Zukunft unter anderem in Digital Recruiting Plattformen wie etwa Xing, LinkedIn und Experteer. Weltweit sind auf LinkedIn über 433 Millionen Menschen registriert, davon 8 Millionen in der DACH Region. Xing hat nach eigenen Angaben etwa 10 Millionen berufstätige Mitglieder in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die meisten sind Fachkräfte, haben einen Hochschulabschluss und sind zwischen 20 und 49 Jahre alt. Also genau jene Zielgruppe, die viele Unternehmen verzweifelt erreichen wollen.
Weitere Trends liegen in der Automatisierung und Nutzung von Big Data, um so gleich eine gefilterte Auswahl an potentiellen Kandidatinnen und Kandidaten zu bekommen. Online Recruiting Plattformen bieten hier zum Beispiel eine Art Matching an und schlagen Arbeitssuchenden gleich geeignete Firmen vor. Andere Tools wie etwa Joberate bieten Unternehmen eine weitere Filterfunktion an: Sie suchen gezielt nach Young Professionals, die wechselwillig sind. Dies wird zum Beispiel daran gemessen, ob ein User sein Profil in letzter Zeit geupdatet hat. So können Headhunter gezielt nach Bewerberinnen und Bewerbern suchen, die nicht nur geeignet sondern auch bereit für eine neue Herausforderung sind.
Querdenker unerwünscht?
Ein Nachteil der automatisierten Verarbeitung von Daten ist, dass Menschen mit eher ungewöhnlichen Lebensläufen aussortiert werden. Gerade sie – und da sind sich die HR-Profis am Online Karrieretag einig – können wertvolle Mitglieder eines Unternehmens sein. Querdenkende, die viele verschiedene Fähigkeiten vereinen, haben ein hohes Innovationspotenzial. Da ist es schon mal möglich, dass man sich seine Position im Unternehmen selbst bastelt.
Abseits davon sind Social Skills oder der sogenannte Teamfit bzw. auch der Cultural Fit wichtige Themen, mit denen sich Unternehmen beschäftigen sollten. Sicher zählen zuerst die Arbeitserfahrung, die Ausbildung und die vorhandenen Fähigkeiten. Aber schließlich müssen diese auch angewandt werden. Und das passiert einfach effektiver, wenn der Teamspirit passt. Der Wille dazuzulernen sowie die Offenheit für neue Herangehensweisen sind ebenfalls wichtige Faktoren. Denn nur durch neue Impulse brechen alte Strukturen auf und können neue Strategien entwickelt werden.
Social Recruiting als nachhaltiger Trend
Neben den immer stärker werdenden Online Recruiting Plattformen hat auch das Social Recruiting digitale Formen angenommen. Meinen Job hier bei whatchado beispielsweise habe ich über Facebook gefunden. In einer Gruppe, die einerseits Unternehmen eine Plattform für die richtige Zielgruppe bietet und andererseits mir als Kandidatin passende Jobs vorschlägt.
Zum Social Recruiting gehören aber nicht nur die Nutzung von sozialen Netzwerken, sondern ganz generell die Nutzung der persönlichen Kontakte als Ressource, um neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. Durch die Digitalisierung nimmt das sogenannte Vitamin B allerdings neue Formen an. Einige Unternehmen – wie auch wir bei whatchado – arbeiten zum Beispiel mit Empfehlungstools wie Firstbird. Falls es mir zum Beispiel gelingt, eine neue Kollegin zu finden, bekomme ich, die den Kontakt hergestellt hat, eine Prämie von meinem Arbeitgeber. Win-Win-Situation, oder?
Darüber hinaus lässt sich durch digitale Netzwerke der Kontakt zu alten Bekannten, Schulfreundinnen oder Studienkollegen leichter halten. Oder wüsstest du sonst, dass der Christoph aus der Volksschule heute erfolgreicher Unternehmensberater ist? Oder die Steffi in Berlin als Model arbeitet? Nicht, ohne dass du recherchieren müsstest, oder? Und genau diese Kanäle kann ein Unternehmen nutzen, um an junge Talente zu kommen.
Recruiting im Videoformat
Die digitale Welt ändert nicht nur unseren Zugang zum Recruiting bzw. zur Jobsuche, sie lässt auch neue Formate boomen. Facebook zum Beispiel setzt vermehrt auf Videocontent und Google reiht Seiten, die Youtube Videos einbinden, höher in der Suche. Warum also nicht beim Recruiting auch auf Video setzen?
Dabei gibt es viele Möglichkeiten, wie Bewegtbilder genutzt werden können. Einerseits erzeugen Videos einen guten ersten Eindruck von einem Unternehmen. Wichtig ist dabei, dass diese nicht wie Werbung wirken, sondern einen authentischen Einblick geben. Die Arbeitsumgebung zu zeigen ist dabei eine von vielen Möglichkeiten, die im Videoformat plastischer gezeigt werden kann als mit Text- oder Bildcontent.
Andererseits können auch Menschen, die bereits im Unternehmen arbeiten, authentische Einblicke geben und so potentiellen Mitarbeitern und neuen Kolleginnen bei der Auswahl des richtigen Unternehmens helfen. Wenn diese ihre eigene Story auch noch auf Video erzählen, kann ich als Kandidatin – ganz abseits vom geplanten Aufgabengebiet – auch feststellen, ob ich mich mit der Unternehmenskultur, dem Team oder den Räumlichkeiten identifizieren kann.
Digital Recruiting ersetzt keine Menschen
Eine gute Nachricht zum Schluß: Bei der ganzen Automatisierung des Recruiting Prozesses bleibt den HR-Spezialisten und Recruiting Expertinnen immer noch das letzte Wort. Denn eben Soft Skills wie Teamfit, Lernbereitschaft, Motivation und innovatives Potential können durch Computer zumindest noch nicht erkannt werden. Außerdem werden persönliche Kontakte und die damit verbundenen Empfehlungen immer wichtiger sein als eine durch Algorithmen gefilterte Bewerbung.